Der magische Klang der Glasharfe

Der Glasmusiker Steffen Kreuzer im Gespräch

Steffen Kreuzer

Wie bist du darauf gekommen mit Gläsern Musik zu machen?
Durch Zufall geriet ich an eine LP von Bruno Hoffmann "Zauber der Glasharfe". Auch wenn mich die klassischen Kompositionen darauf nicht wirklich ansprachen, der Klang der Gläser hat mich sofort fasziniert. Meine erste Glasharfe, die ich auch zur Zeit noch spiele, habe ich 1994 gebaut. Davor habe ich aber schon mit einigen Gläsern experimentiert und Spieltechniken wie Wah Wah, Tremolando, Glissando entwickelt.

Glissando?
Ja, in dem man das Glas leicht kippt oder Gegenstände ins Glas taucht. Wenn man nur eine sehr begrenzte Anzahl von Tönen zur Verfügung hat, muß man sich mit sämtlichen Klangmöglichkeiten jedes einzelnen Glases beschäftigen.

Deine Gläser sind mit Wasser gefüllt. Stimmst du damit dein Instrument?
Ja, zur Feinabstimmung. Der Ton wird tiefer. Früher hat mich das geärgert ständig nachstimmen zu müssen, weil das Wasser verdunstet oder beim Aufbau nach einem Transport. Ich habe versucht die Gläser durch Abschleifen zu stimmen, aber inzwischen gefällt mir das Wasser im Glas, wie es sich kräuselt beim Spiel und hin- und herschwappt.

Was für Wasser benützt du dafür? Normales Leitungswasser?
Zum Stimmen nehme ich destilliertes Wasser damit keine Kalkränder entstehen.

Wie lange dauert es bis du dein Instrument gestimmt hast? Sind Markierungen an den Gläsern?
Die Markierungen an den Gläsern dienen nur zur Orientierung. Genau genug ist das nicht. Bei manchen Gläsern ändert sich die Tonhöhe ab einem bestimmten Pegel schon bei nur wenigen Tropfen. Ich muß mit Stimmgerät und Gehör fein nachstimmen.  Das dauert ungefähr 30 Minuten.

Steffen Kreuzer beim Aufbau der Glasharfe Und zum Transport muß alles Wasser raus. Und die Gläser? Werden alle einzeln verpackt?
Nein, nein, die sind alle fest montiert. Das ganze Brett kommt in einen großen Styroporkoffer, der auf einer Federkernmatratze gelagert gerade noch so ins Auto paßt.

Wahrscheinlich ziemlich nervenaufreibend mit dem Instrument zu Auftritten zu fahren... Wie teuer sind die Gläser?
Zwischen 4 und 30 Euro. Aber was das Instrument wirklich wertvoll macht, ist die Zeit, die man benötigt um die Gläser auszusuchen. Wenn man nach langem Suchen endlich ein Glas mit einem bestimmtem Ton gefunden hat ist einem der Kaufpreis ziemlich egal. Alle Gläser sind mundgeblasen. Ich habe sie direkt in Glashütten im Bayrischen Wald gekauft. Manche sind zweite Wahl, weil sie zu dick- oder dünnwandig geblasen wurden, aber das ist genau das, wonach ich suche.  Die Wandstärke beeinflußt die Tonhöhe.  Die Größe natürlich auch.

Sind schon Gläser während des Spiels kaputtgegangen?
Nein, zum Glück nicht. Ich habe aber schon versucht ein sehr dünnwandiges Glas nur durch sehr laute Töne gleicher Frequenz zum Zerspringen zu bringen.  Bis jetzt vergeblich.

Wie groß ist der Tonumfang?
Zweieinhalb Oktaven. Mein neues Instrument hat dreieinhalb. Der tiefste Ton ist ein e, beziehungsweise d beim neuen Instrument. Eine tieferes Glas zu finden ist schwierig, da es nicht nur größer, sondern auch mit dünnerer Wandstärke geblasen sein müßte. Das müßte man speziell herstellen lassen. Und ob die Tonansprache gut ist, weiß man erst hinterher. Sehr hohe Töne sind einfacher zu finden, aber sie klingen meist nicht mehr so gut.

Ich war erstaunt über die Lautstärke und Klangfülle die du erzeugen kannst.
Ja, das überrascht mich selbst noch manchmal. Ab und zu kommen nach einem Konzert Zuhörer und schauen ob nicht unter dem Tisch ein Lautsprecher versteckt ist! Ein einzelnes Glas in der Hand gehalten und gespielt klingt ja eher leise und dünn. Die hohe Lautstärke bei meinem Instrument kommt daher, daß die Gläser so dicht beieinander stehen, daß sie sich gegenseitig als Resonator dienen. Ich spiele oft drei oder mehr Gläser gleichzeitig an um einen vollen Klang zu erhalten. Außerdem habe ich schon bei der Auswahl der Gläser auf einen schönen und lauten Klang geachtet.

Hast du auch schon mit elektrischer Verstärkung gespielt?
Das mag ich eigentlich nicht. Ich denke es ist ein großer Unterschied ob alle Töne aus einer oder zwei Lautsprecherboxen kommen oder jeder verschiedene Ton aus dem jeweiligen Glas. Musik sollte direkt sein. Mich stört es, wenn ich bei Konzerten die ich besuche den Ton aus der Box am Rand kommen höre, obwohl der Musiker in der Mitte der Bühne steht und spielt.

Ohne Verstärkung - wie hoch kann die Anzahl der Zuhörer sein?
Schwer zu sagen, hängt von der Raumakustik ab. In einem guten Saal sind 200 Zuhörer kein Problem.

Bist du der einzige Glasmusiker?
Nein, es gibt einige. Hm, vielleicht zehn in Europa? Ich glaube eher mehr. Die meisten spielen bekannte klassische Stücke oder Originalkompositionen für Glasharmonika von Mozart oder anderen. Im 18.Jahrhundert gab es übrigens einen Arzt (Franz Anton Mesmer) der Glasmusik für seine Hypnoseversuche benutzt hat.

Welche Idee steckt hinter deiner Musik?
Ich beschäftige mich so lange mit alltäglichen Gegenständen, also ganz normalen Trinkgläsern, bis ich durch sie den Alltag verlassen kann und mich in meiner Klangwelt wiederfinde. Ich mag die Beschränktheit meines Instruments. Ein Synthesizer mit unendlich vielen Soundmöglichkeiten würde mich eher frustrieren.

Komponierst du selbst oder spielst du fremde Stücke?
Ich spiele bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich eigene, direkt am Instrument entstandene Stücke, mit zum Teil improvisierten Teilen. Die Anordnung der Töne ist bei meinem Instrument auf eine ganz bestimmte, bei anderen Instrumenten sonst nicht gebräuchliche Art erfolgt und daher sind manche Tonfolgen oder Akkorde leicht möglich, andere nicht, beziehungsweise klingen gut oder eben nicht. So ergeben sich die Kompositionen aus der Anordnung der Gläser.

Wie sind die Gläser angeordnet? Gibt es bei der Glasharfe eine allgemein gebräuchliche Anordnung?
Nein, ich glaube das macht jeder Glasmusiker auf seine Art. Bevor ich meine Glasharfe gebaut habe, konnte ich ein Instrument Bruno Hoffmanns (Glasharfenspieler 1913-1991) untersuchen und habe seine Idee einen Dreiklang mit nur einer Hand spielen zu können auf mein Instrument übertragen. Wären die Gläser angeordnet wie bei einer Klaviertastatur könnte man nur zweistimmig spielen.

Crystal auch Cristal-Bachet genanntes Musikinstrument Man braucht ja schon beim Bau des Instrumentes musikalisches Grundwissen. Spielst du auch ein normales Instrument?
Ja, Gitarre. Ich beschäftige mich auch mit anderen Gebrauchsgegenständen die sich als Musikinstrument benutzen lassen: Holzschüsseln, Löffel, Messer, singende Säge. Außerdem Mundharmonika und Maultrommel. Letztes Jahr habe ich ein Crystal nachgebaut, das die Brüder Baschet vor ungefähr 50 Jahren erfunden haben. Zum Spielen reibt man an Glasstäben, die über Gewindestangen mit einem riesigen Edelstahlresonator verbunden sind. Mir hat es schon immer Spaß gemacht neue Klänge, Instrumente und Spieltechniken zu entdecken.

Verträgt sich der Klang der Glasharfe auch mit anderen Instrumenten?
Gesang, Flöte, Vibraphon oder auch Sprache. Mehrere Konzerte habe ich mit einem Mundharmonikaspieler gegeben; es gab ein Projekt mit einer Märchenerzählerin. Eigentlich geht vieles, kommt nur darauf an wie man es einsetzt. Es gibt auch Orchesterpartituren bei denen Gläser eingesetzt werden zum Beispiel von Richard Strauß. Mozart hat für Glasharmonika mit Flöte, Oboe, Viola und Cello komponiert.

Gibt es eine CD von dir?
Nein.  Nur live.

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